„Wir haben seit einem Jahr kaum miteinander geschlafen“, sagt er. Sie nickt mit tränenden Augen.
„Und als Sie noch Sex hatten, war das erfüllend?“ frage ich. „Ja, es war großartig“, antwortet er. „Es war uns beiden sehr wichtig, zumindest mir.“ Sie nickt erneut. „Mir auch.“ Doch das Gefühl ist verschwunden.
Egal wie gut der Sex war, auf lange Sicht scheinen Sexualität und eine dauerhafte Beziehung nicht miteinander vereinbar zu sein. Das Paar in meiner Praxis ist kein Einzelfall. Überrascht stellen wir fest, dass die Sexualität sich zurückzieht, ohne dass wir etwas dagegen unternehmen können.
Dabei schätzen wir den Sex und möchten nicht auf körperliche Leidenschaft verzichten. Und wenn wir nicht mit unserem Partner intim sind, haben wir die Angst, dass es jemand anderes tut. Eine drastisch abnehmende Häufigkeit von sexuellem Kontakt löst Alarm in der Beziehung aus.
Doch die Sexualität ist nicht das eigentliche Problem. Sie kann durchaus lustvoll sein, findet jedoch nicht statt. Sexuelle Unlust lässt sich nur dann überwinden, wenn wir anerkennen, dass es beim Sex oft nicht nur um den Akt selbst geht. Vielmehr spielen Nähe, Macht, Verlustangst oder ein geringes Selbstwertgefühl eine Rolle.
Wenn wir „miteinander schlafen“, suchen wir mehr als nur den physischen Akt, das Eindringen oder den Orgasmus. Wir streben nach mehr als bloßem Körperkontakt, Ekstase und Sinnlichkeit – obwohl das bereits viel ist. Wir wollen Liebe machen.
Der englische Ausdruck „to make love“ bringt es treffend auf den Punkt.
Es geht darum, sich zu begegnen, sich wertzuschätzen, sich zu begehren und Nähe zu suchen. Wir möchten niemals wieder getrennt sein. Wir suchen mehr als das einfache Spiel von Ein- und Ausdringen; wir möchten uns verbinden.
Laut Forschung schreiben zufriedene Partner der Sexualität nur 15 bis 20 Prozent ihres Beziehungsglücks zu, während unglückliche Partner glauben, dass 50 bis 70 Prozent ihres Beziehungsstresses auf sexuelle Probleme zurückzuführen sind. Die schwindende Sexualität ist lediglich ein Spiegelbild der verlorenen Nähe und nicht deren Ursache.
Es gibt Frauen, die sich der Sexualität entziehen, weil sie das Gefühl haben, von ihrem Partner völlig vereinnahmt zu werden. Männer hingegen trauen sich oft nicht, ihre Partnerinnen zu verführen, weil sie sich ungeliebt fühlen und die Angst vor weiterer Ablehnung sie lähmt. Oder sie sind emotional verschlossen, weil sie durch vergangene Untreue tiefer verletzt wurden, als sie sich eingestehen möchten.
Da die partnerschaftliche Sexualität so viel mehr umfasst als nur Sex, helfen reizvolle Dessous und Pornoabende oft nur bedingt.
Wenn die Sexualität leidet, ist auch die Intimität gestört – die gesamte Beziehung muss einem „Beziehungs-TÜV“ unterzogen werden. Wo stehen wir wirklich? Was hält uns voneinander fern?
Konfrontierende Offenheit kann verlorenes Vertrauen wiederherstellen. Durch liebevolle Zuwendung kann das wiedergewonnene Vertrauen Offenheit ermöglichen. Die Lust kehrt zurück, wenn beide Partner spüren, dass es beim Sex selten nur um den Sex selbst geht.
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